Die Erwartungs-Übersetzer

anstellunghochzwei unterstützt Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen darin, den Einstieg in ein neues Arbeitsverhältnis möglichst nachhaltig zu gestalten. Lesen Sie in diesem Interview, wie a hoch 2 entstanden ist und wie die Gründer, Dan Ammon, Inhaber von cm integra, und socialdesign Mitinhaber Andreas Dvorak, zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden als Erwartungs-Übersetzer auftreten.

anstellunghochzwei bietet Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen verschiedene Dienstleistungen, die unter anderem zu Teams mit weniger Fluktuation und Wissensverlust führen sollen. Wie seid ihr auf die Idee von a hoch 2 gekommen?

Dan Ammon: Angefangen hat es mit der Freundschaft zwischen uns. Wir arbeiten schon lange Zeit auf einem ähnlichen Fachgebiet. Vor zwei Jahren wurde ich von einem Sozialdienst gefragt, ob ich nicht ein Temporärbüro für Sozialarbeiter:innen eröffnen wolle. Andreas und ich diskutierten diese Idee bei einem Abendessen und wir waren beide begeistert, dass wir für so etwas angefragt wurden. Uns beiden ist es jedoch wichtig, dass wir lösungsorientierte und qualitativ hochstehende Leistungen anbieten. Wir fragten uns also: Wo liegt eigentlich das Problem? Weshalb besteht gerade auf Sozialdiensten eine derart hohe Fluktuation? Uns wurde klar, dass viele neue Mitarbeitende ihre Anstellungen innerhalb eines Jahres wieder verlassen. Entsprechend ist die Einführungsphase zentral für ein gelingendes und nachhaltiges Arbeitsverhältnis. Jedoch fehlt in dieser Phase oftmals die notwendige Zeit seitens Arbeitgeber:in. Und das gegenseitige Vertrauen ist noch nicht genügend gewachsen, dass bei allfällig entstehenden Schwierigkeiten reagiert werden kann. Damit war die Idee von anstellunghochzwei geboren.

Andreas Dvorak: Bei den Anliegen und Angeboten von Anstellunghochzwei handelt es sich auch um berufspolitische Anliegen. Es kann und darf nicht sein, dass so viele ausgebildete Sozialarbeiter:innen sich aufgrund schlechter Erfahrungen nach so kurzer Zeit wieder aus dem Berufsfeld zurückziehen. Aus Sicht der Betriebe ist der Wunsch vorhanden, längerfristige Anstellungsverhältnisse zu schaffen und mit motivierten Mitarbeitenden die Zukunft planen zu können.

Dan Ammon: Interessant ist, dass dieses Thema nicht nur den sozialen Sektor beschäftigt. Ich bin oft im Gewerbe, in der Industrie und der Privatwirtschaft unterwegs. Der Fachkräftemangel verfolgt mich überall. Es beginnt bei den Pflegefachkräften und endet im Gastro-Bereich. Was wir nicht vergessen dürfen: Die heutige Generation verlangt von ihren Arbeitgeber:innen viel mehr Flexibilität und Verständnis, als dies früher der Fall war. Und in dieser neuen Realität sind noch nicht alle Arbeitgebenden angekommen.

Welche Dienstleistungen bietet ihr an? 

Andreas Dvorak: Wir bieten Übersetzungsleistungen zwischen neuen Mitarbeitenden und den Verantwortlichen in den Betrieben bzw. den Organisationen an. Es geht darum, neue Mitarbeitende dort abzuholen, wo sie stehen. Ihre Bedürfnisse, Fragen oder Sorgen müssen in die Sprache der Arbeitgebenden oder der Organisation übersetzt werden. Ebenso sind die Erwartungen der Arbeitgebenden zentral und ebenfalls in die «Übersetzungsarbeit» mit einzubeziehen. Dafür haben wir verschiedene Tools und Angebote entwickelt.

Ausgangspunkt einer solchen Begleitung bildet die Auswahl der «geeigneten Personen» bzw. des «geeigneten Arbeitgebers». Somit ist die Stellenausschreibung zentral. In dieser wird bereits darauf hingewiesen, dass der gesamte Prozess von uns, also von einer externen Stelle professionell begleitet wird. Im besten Fall sind wir also bereits im Ausschreibungsprozess, also im «Recruiting» involviert. Danach folgt das ebenfalls sehr entscheidende «Matching». Durch das von anstellunghochzwei entwickelte Matching-Tool sind wir in der Lage gegenüber unsern Kund:innen zu visualisieren, wer von den Bewerbenden am ehesten dem Bedarf und den Erwartungen des Unternehmens/der Institution entspricht. Damit kann sich in der Regel ein aufwändigeres Assessment vermeiden lassen.

Letztendlich erfolgt das «Onboarding-Coaching». Sobald eine Person ihren neuen Job gestartet hat, leisten wir Übersetzungsarbeit in Form von Coachings. Wir führen diese gemäss einem speziell ausgerichteten und von uns erarbeiteten Vorgehen durch. Dies dauert, bis beide Seiten eine gegenseitige Sicherheit und ein gewisses Grund-Vertrauen füreinander entwickelt haben. Zusätzlich dazu besteht als viertes Angebot der «Wissenstransfer». Idealerweise möchten wir eine Organisation je nach Themenbereich so weit begleiten, dass sie in die Lage versetzt ist, gewisse Themen selbst zu bearbeiten. Auch wenn wir unser Wissen sehr gerne weiterreichen, soll das Vorgehen keine Dauerdienstleistung sein.

Dan Ammon: Viele Organisationen verfügen über ein Einarbeitungskonzept. Diese sind jedoch oft theoretischer und technischer Natur. Wir alle wissen aus Erfahrung, dass das Tagesgeschäft schnell Überhand nehmen kann und die Arbeitgebenden den neuen Personen oftmals nicht gerecht werden können. Es entstehen schnell Fragen oder Zweifel aneinander, die nicht geklärt werden. Ausgehend von unterschiedlichen Erwartungen der beiden Seiten entstehen dann Konflikte oder Unklarheiten. Mit unserem Aussenblick können wir diese Erwartungen gegenseitig spiegeln. Wir versuchen also potenzielle oder entstehende Konflikte oder Unklarheiten abzuholen und aufzufangen. Eine neu eingestellte Person hat zudem die Fähigkeit Dinge zu hinterfragen, die in einer Organisation oft als gegeben betrachtet werden. Hierin liegen gegenseitig sehr hohe Chancen.

Wie profitiere ich als Arbeitgeber:in von diesem Modell?

Dan Ammon: Aus Sicht Arbeitgeber:in geht es darum, den «Kampf um Talente» und gute Mitarbeitende zu gewinnen, d.h. Firmen und Institutionen müssen lernen, sich von anderen abzuheben. Beansprucht eine Firma eine externe Begleitung durch uns, kann dies einen wichtigen USP darstellen. Und es kann gegenseitig ein Gefühl von Sicherheit entstehen, dass die passgenau ausgewählten neuen Arbeitskräfte professionell begleitet werden. Für die Arbeitgebenden resultiert daraus idealerweise hohe Loyalität und eine langdauernde Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmenden.

Andreas Dvorak: Neben diesen Vorteilen erreichen Arbeitgebende letztlich Kosteneinsparungen und müssen weniger neue Personen suchen. Weniger Weggänge bringen Ruhe ins Team und das implizite, angehäufte Wissen bleibt im Betrieb und geht nicht verloren. Letztlich führt dies auch zu mehr Stabilität. Betriebstreue und Langzeitengagement sind für das Funktionieren und den Erfolg einer Organisation sehr wichtig.

Unsere Kund:innen merken, dass sich durch die Zusammenarbeit mit anstellungshochzwei etwas verändert. Ein Sozialdienst in einer grossen Schweizer Stadt, den wir länger begleitet haben, verfügte über gute und grundlegende Konzepte zum Einführungsprozess, zur Weiterbildung etc., trotzdem besteht eine hohe Fluktuation. Mit einem geplanten Ausschreibungs-Vorgehen und einem entsprechenden Onboarding liessen sich Überforderungen oder Verunsicherungen aufgefangen und damit Enttäuschungen oder Frustrationen vermieden. Damit liessen sich unbekannte und neue Situationen auffangen und entsprechend einordnen. Entstanden dabei Unklarheiten, konnte gemäss einem klaren und vereinbarten Vorgehen gegenseitig vermittelt werden.

Und was habe ich als Arbeitnehmer:in davon?

Dan Ammon: Sicherheit und Wertschätzung. Arbeitnehmende bekommen von Anfang an mit, dass sie eingebettet sind und man sich um sie kümmert. Dieser Rahmen bietet die Möglichkeit, dass sich eine Person an einem neuen Ort entwickeln und aus der Defensive heraustreten kann.

Andreas Dvorak: Dieser Punkt ist auch für den Arbeitgebenden relevant. Diese befinden sich zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses ebenfalls in einem Zustand der Unsicherheit. Überfordere oder unterfordere ich eine neue Person? Bin ich strukturiert genug in der Einführung etc.? Eine Theorie besagt, dass die Kündigung am ersten Arbeitstag beginnt – Probleme und Schwierigkeiten addieren sich stets. Die gemeinsame Kommunikation zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden gestaltet sich anfangs oftmals schwierig und auch wenn sich diese beiden Parteien heute eher auf Augenhöhe befinden, besteht nach wie vor eine gewisse Machtasymmetrie. Wir als externe Vermittlungsstelle können dazwischen Abhilfe schaffen. Intern lässt sich dies oftmals nicht lösen.

Selbstverständlich haben wir einen hohen Persönlichkeitsschutz und Diskretion gegenüber beiden Positionen. Wir könnten theoretisch zum Feind des Personaldiensts oder der Betriebsleitung werden. Genau mit diesen Strukturen, Positionen und Ängsten müssen wir aber arbeiten. Deshalb haben wir genaue Vorgaben, wie wir mit den verschiedenen Positionen und Informationen umgehen.

Dan Ammon: Schlussendlich geht es immer um Erwartungen. Wir sind eigentlich ein Erwartungs-Übersetzer. Gerade zu Beginn einer neuen Anstellung bestehen so viele unausgesprochene Erwartungen von beiden Seiten her. Wir übersetzen diese so, dass der Empfänger oder die Empfängerin diese verstehen und annehmen kann.

Handelt es sich bei anstellunghochzwei um ein Modell, das besonders geeignet ist für einen bestimmten Markt oder passt es zu verschiedenen Arbeitsbereichen?

Dan Ammon: Mit unserem Angebot können wir in sehr unterschiedlichen Bereichen unterwegs sein. Jedoch zeigt sich, dass Sozialdirektionen, Städte, Kantone, Grossunternehmen oder der ganze Gesundheitsbereich heute eher bereit sind innovative Ansätze und somit die Zusammenarbeit mit uns zu erproben. Kleinere Bereiche, Industrie oder Gewerbe machen dies eher noch nicht – rein vom Angebot her, sind unsere Dienstleistungen aber auch dort gut umsetzbar. Künftig wird der Kampf um die besten Mitarbeitenden aber auch dort härter werden und Arbeitgebende können sich nicht nur über «gute Löhne» abheben.

Was sind aus eurer Sicht die grössten Herausforderungen für Arbeitgebende? Und welche Tipps gebt ihr ihnen mit?

Dan Ammon: Arbeitgebende müssen sich überlegen, wie und womit sie Mehrwert für Arbeit:nehmende bieten können, sonst verlieren sie irgendwann den Anschluss und können auf dem Markt nicht mehr bestehen. Das bedeutet, Arbeitgebende sind gezwungen unterschiedliche Werte und Angebote zu bieten, damit sie auch in Zukunft attraktiv bleiben.

Andreas Dvorak: Wir haben gemeinsam mit dem erwähnten Sozialdienst versucht zu verstehen, weshalb so viel Mitarbeitende gekündigt haben. Dabei wurde klar, dass bei der Kündigung zwar der Grund für den Weggang angegeben wird, jedoch diese Gründe oftmals nicht der gesamten Wahrheit entsprechen, da ja noch für ein paar Monate weiter gearbeitet werden muss und man sich ein gutes Arbeitszeugnis wünscht. Arbeitgebende befinden sich daher oftmals im «Blindflug» darüber, was die wahren Gründe für Abgänge sind. Umso wichtiger ist die Erhebung eines präzisen Selbstbilds. Es bestehen also Risiken für die Arbeitgebenden in der Frage, wie fest sie auf Arbeitnehmende vertrauen können – gerade in einem verknappten und labilen Markt. Da Ehrlichkeit nicht einfach herzustellen oder einzufordern ist, braucht es besonders im Prozess des Einmündens in eine neue Organisation allfällig externe Unterstützung für die Beziehungsentwicklung und Vertrauensbildung.

Vielen Dank euch Beiden für das inspirierende Gespräch!