Theoretische Wirkfaktoren finden in der Online-Mailberatung praktische Anwendung

Interview mit Salomé Steinle, stellvertretende Sektionsleiterin, BAG (Sektion Prävention in der Gesundheitsversorgung)

Für Menschen, die von einer Suchtproblematik betroffen sind, aber auch für deren Angehörige, ist die Schwelle, Hilfe, Rat oder eine Beratung aufzusuchen, oft sehr hoch. Niederschwellige Angebote könnten hierbei Abhilfe schaffen. SafeZone.ch stellt ein solches niederschwelliges Angebot dar: Es ist ein online Portal für kostenlose und anonyme Online-Beratung zu Suchtfragen für Betroffene, deren Angehörige und Nahestehende, für Fachpersonen und Interessierte.

socialdesign führte im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) die umfassende Studie «Anwendung von Wirkfaktoren in der Emailberatung von SafeZone.ch» durch. Die Studie untersuchte den Verlauf und den Inhalt von über 1’000 Mailberatungen, die zwischen 2014-2017 auf SafeZone.ch durchgeführt worden sind. Dabei wurden die in der Theorie und Literatur auffindbaren Wirkfaktoren operationalisiert und erstmals empirisch untersucht. Basierend auf den Ergebnissen und im Rahmen eines Workshops mit der Auftraggeberschaft formulierte socialdesign eine Reihe von praxisorientierten Empfehlungen, um die Beratungspraxis bei SafeZone.ch zu optimieren. Der Bericht sowie die Executive Summaries auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch können hier konsultiert werden.

Wir haben Salomé Steinle, stellvertretende Sektionsleiterin der Sektion Prävention in der Gesundheitsversorgung des BAG zur Studie befragt:

Was waren die Gründe, um diese Studie in Auftrag zu gegeben?
Die Frage nach der Wirksamkeit von Online-Beratungen wird uns oft gestellt. Meist von Fachleuten, doch es ist anzunehmen, auch die User machen sich Gedanken dazu. Allgemein geht die Forschung davon aus, dass Online- und Präsenzberatung vergleichbare Wirkung erzeugen können. Allerdings ist es äusserst schwierig und umstritten, wie Wirksamkeit, speziell in Bezug auf komplexe Themen wie Suchtberatung, überhaupt gemessen werden kann. Deswegen standen verschiedene Frage im Vordergrund: Wie kann Online-Beratung wirksam sein? Welche Behandlungsmassnahmen helfen? Wie werden sie umgesetzt um Erfolge zu erzielen? Dies unterscheidet sich je nach Angebot, Rahmenbedingungen, angewandten Methoden usw. Wir wollten diese Frage für die schriftgestützte Mailberatung klären und damit einen Beitrag zur Optimierung von Online-Beratung leisten.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Resultate der Studie?
Die Studie zeigt, dass viele Wirkfaktoren, wie beispielsweise das Gestalten der therapeutischen Beziehung, sehr oft angewandt werden. Die Beratenden gehen ressourcen- und lösungsorientiert vor und sie gestalten die Beratungen als Co-Produktion, was für das Verständnis des Problems und des Lösungsprozesses zentral ist. Dabei gehen sie individuell auf die unterschiedlichen User ein – eine Au­thentizität, die ein weiteres Schlüsselelement für erfolgreiche Beratung ist.

Wie konnte aus Ihrer Sicht die Grundlagenforschung mit der Praxis verknüpft werden?
Einerseits konnten für diese Studie die absolut anonymisierten, abgeschlossenen Mailberatungen zur Analyse der Schriftsprache der Beratenden genutzt werden. Somit leistet die Praxis einen elementaren Beitrag zur Erforschung der Mailberatung. Andererseits fliessen die Ergebnisse über Workshops und Weiterentwicklung direkt in das Projekt zurück. Auch auf konzeptioneller Ebene sind die Ergebnisse hilfreich, um das Angebot und die Kommunikation in Zukunft noch besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppen auszurichten.

Wie finden die Studienergebnisse Eingang in die weitere Arbeit von SafeZone.ch?
Die Ergebnisse fliessen auf unterschiedlichen Ebenen in das Projekt ein. Einerseits wissen wir nun, dass wir mit vielen Vorgehensweisen, sowohl in den Beratungen, wie auch bei den Rahmenbedingungen, auf gutem Weg sind. Das soll natürlich beibehalten und ausgebaut werden. Dazu erhalten die Beratenden einen Workshop der Studienleitenden von socialdesign im Rahmen ihrer Schulung. Auch weitere Punkte des internen Qualitätsmanagements werden wir weiter entwickeln und technisch das System so optimieren, damit die Rahmenbedingungen für eine wirksame Online-Beratung möglichst gegeben sind.

Herzlichen Dank für das Interview.