Umgang mit Belastungen und Stress

Interview mit Herr Georg Koenne, Geschäftsführer des Österreichischen Zentrums für psychologische Gewaltprävention im Schulbereich (ÖZPGS)

Das Österreichische Zentrum für psychologische Gewaltprävention im Schulbereich hat seinen Sitz in Wien. Die Psycholog/innen des ÖZPGS sind in ganz Österreich tätig und bieten Beratungen, Moderationen und Interventionen zur Gewaltprävention an Schulen an. socialdesign führte in diesem Herbst eine Fortbildung zum Thema „Berufsidentität und Abgrenzung in Sozialberufen“ für Schulpsycholog/innen des ÖZPGS durch.

In welchem Rahmen haben Sie in Ihrem Institut mit dem Thema Umgang mit Belastungen und Stressmanagement zu tun?
Das Kerngeschäft des Vereins ÖZPGS ist die Arbeit im Bereich der Gewaltprävention mit Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern. In diesem Zusammenhang werden Stress und Belastungen immer wieder zum Thema. Es kann dabei beispielsweise um den Umgang mit Gewalt oder Mobbing gehen.
Auch bei den Mitarbeiter/innen des ÖZPGS, wie in anderen sozialen Berufen auch, ist der Umgang mit Stress und Belastungen ein Thema. Wenn man mit Menschen arbeitet und mit diesen in einer Interaktion steht, bedeutet dies immer auch eine gewisse Form von Belastung. Das gilt für alle Berufe, welche mit Klient/Innen zu tun haben. Menschen, welche im Sozialbereich tätig sind, brauchen ein gesundes Mass an psychischer Widerstandfähigkeit, um langfristig im Beruf tätig sein zu können. Es geht also darum, diese zu entwickeln und weiter aufzubauen.
Intern arbeiten wir diesbezüglich mit verschiedenen Methoden. Für unsere Mitarbeiter/innen bieten wir seit zwei Jahren Intervision an und seit einem Jahr Supervision. Es geht in diesem Zusammenhang einerseits darum, Fälle inhaltlicher Natur zu besprechen, andererseits aber auch darum, die psychische Widerstandfähigkeit zu stärken und das „sich abgrenzen können“ zu thematisieren. Wir boten diesen Herbst unseren Mitarbeiter/innen zudem ein Seminar mit Regula Ruflin von socialdesign an, in dem es um die Auseinandersetzung mit dem Thema „Berufsidentität und Abgrenzung in Sozialberufen“ ging. Es ist wichtig für die Mitarbeitenden, Freiräume zu schaffen, damit Selbstreflektionen möglich werden. In den Ausbildungen zu den Sozialberufen erhalten die Teilnehmenden bereits ein Rüstzeug, um mit belastenden Situationen umgehen zu können. Zentral aber ist es, den Umgang mit Stress und Belastungen immer wieder zu reflektieren und sich der Problematik bewusst zu sein. Wichtig ist auch ein gefestigtes Rollenverständnis. Das heisst, seine persönliche Rolle und seine Rolle im Beruf zu kennen. Sich der Rolle bewusst zu sein, welche man im Beruf hat, ist insbesondere auch wesentlich, um aus dieser wieder hinaustreten zu können. Für diesen Übergang braucht es Rituale. Diese dienen dazu, sich beim Ankommen zu Hause von den Belastungen des Berufes zu lösen. Solche Rituale können beispielsweise ein Spaziergang sein, oder auch Musik zu hören. Es geht also darum, sich abgrenzen zu können. Wenn man weiss, welche Projektionen in Beziehungen ablaufen, schützt einem das davor, das im Beruf Erlebte in andere Lebensbereiche mitzunehmen.

Worauf sollte man Ihrer Meinung nach besonders achten bei Kursen zu Stressmanagement?
Wenn man einen solchen Kurs für seine Mitarbeitenden buchen möchte, eine Referentin oder einen Referenten gefunden hat, die sich mit dem Thema gut auskennen und der oder dem man vertraut, dann ist es wichtig, dass der Kurs entsprechend den Bedürfnisse der Mitarbeitenden gut vorbereitet wird. Wie alle anderen Berufe auch, hat jeder Sozialberuf seine Besonderheiten. Es ist nicht das Gleiche, ob mit Kindern oder eher älteren Personen gearbeitet wird. Wichtig sind also massgeschneiderte Seminare und eine gute Vorbereitung, um auf die konkreten Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen zu können. Auch die Rahmenbedingungen sind zentral, eine stimmige Zeiteinteilung, ein passender Ort, genügend Zeit für Reflektionen. Bei einem solchen Thema ist es besonders wesentlich, dass sich die Teilnehmenden wohlfühlen. Zwei Tage sind ein guter Zeitrahmen für die Durchführung eines solchen Kurses. Bei zwei Tagen besteht genügend Zeit, sich mit dem Thema vertieft auseinander zu setzen, für Reflektionen, aber auch um einen guten Abschluss zu finden. Investitionen in solche Kurse zahlen sich bei Mitarbeitenden in Sozialberufen sehr stark aus. Sie werden dadurch in ihrer Arbeit effizienter und bleiben den Betrieben länger erhalten. Im Verhältnis zum Mehrwert, den man erhält, ist der investierte Aufwand von zwei Tagen gering.
Regelmässige Supervisionen sind sehr wichtig. Da sie aber permanent stattfinden, stellen sie oft eine strukturelle Belastung dar und kosten relativ viel Arbeitszeit. Kostengründe sind meiner Erfahrung nach oft ein Grund, warum Supervisionen in der Praxis scheitern. Der Vorteil eines gut strukturieren Seminares liegt darin, dass dieses insgesamt weniger ressourcenintensiv ist.

Wie gelingt der Transfer in die Praxis?
Das ist der schwierigste Punkt überhaupt. Der Transfer in die Praxis ist immer eine persönliche individuelle Leistung, die jeder Mitarbeitende selber erbringen muss und dadurch eine persönliche Entwicklungsaufgabe. Mit dem Management können Rahmenbedingungen geschaffen werden, indem beispielsweise Zeit und Raum zur Verfügung gestellt werden. Es können Werkzeuge in die Hand gegeben werden wie Entspannungsübungen, oder Ideen aufgezeigt werden, wie mit Stress umgegangen werden kann. Wichtig ist auch, die Mitarbeitenden darin zu bestärken und wertzuschätzen, wenn sie sich darum bemühen. Den eigenen Weg zu finden bleibt schlussendlich allerdings immer die Aufgabe der Person selber. Der Transfer in die Praxis bedingt also ein grosses Mass an Professionalität der Mitarbeitenden. Von Seiten des Managements spielt auch Vertrauen eine grosse Rolle, da der Output nicht sofort gemessen werden kann.

Haben Sie noch weitere Anmerkungen oder Tipps zum Thema?
Der Arbeitgeber hat eine gewisse Verantwortung für die Gesundheit der Mitarbeitenden. Gerade in Sozialberufen ist es wichtig, den Umgang mit Stress und Belastung ernst zu nehmen, damit die Mitarbeitenden nicht ausbrennen.

Wir danken Herrn Koenne für das spannende Gespräch.