Finanzierung von Schnittstellen

Interview mit Ursula Fringer Schai und Simon Meier

 

Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Alters- und Pflegeheime sowie Psychiatrien sehen sich zusehends mit komplexen Finanzierungsfällen konfrontiert. Wird zum Beispiel eine Person, die schon lange in einer Institution für Menschen mit Behinderungen lebt, 65 Jahre alt, ist nunmehr nicht nur die IV sondern auch die AHV für die Finanzierung zuständig. Steigt nun der Pflegebedarf einer Person und es werden umfassende Pflegeleistungen notwendig, kommt die zusätzliche Finanzierungslogik des Krankenversicherungsgesetzes dazu.

Lesen Sie in diesem Interview, welche Konsequenzen dies für sogenannt «gemischt finanzierte Institutionen hat» und was dies für die Menschen, die in diesen Institutionen leben, bedeutet.

Francesca Rickli führte dieses Interview mit Ursula Fringer Schai, Senior Projektleiterin und Partnerin bei socialdesign und Simon Meier, Projektleiter bei socialdesign.

Wie schon im letzten Interview unterhalten wir uns heute über Finanzierungsmechanismen. Dabei soll es um sogenannt «gemischt finanzierte Institutionen» im Sozial- und Gesundheitsbereich gehen. Was bedeutet «gemischt finanziert» und weshalb wird diese Finanzierungsform zusehends relevant?
Gemischt finanziert heisst in erster Linie, dass eine Organisation verschiedene Finanzierungsquellen hat und daher auch unterschiedliche geltende Anforderungen zu erfüllen sind. Dies wird aufgrund unterschiedlicher gesellschaftlicher Trends zunehmend relevant, zum Beispiel werden Menschen mit Behinderung immer älter und erreichen ein Alter, welches allenfalls mit einem erhöhten Pflegebedarf einhergeht. Andererseits gibt es zunehmend Menschen mit komplexem Betreuungs- und Pflegebedarf, die sich an den Schnittstellen zwischen den verschiedenen Systemen bewegen, zum Beispiel zwischen der Psychiatrie und einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung.

Für welche Art der Institutionen ist dies denn relevant?
Das kann zum Beispiel eine Institution mit älteren Klient*innen mit einer psychischen Beeinträchtigung mit einem zugleich hohen oder steigenden Pflegebedarf sein. Diese Institutionen erbringen sowohl Leistungen, die über das Krankenversicherungsgesetz für den Pflegebedarf, aber auch Leistungen, die über die kantonale Gesetzgebung und die Invalidenversicherung für die Betreuung geregelt sind. Damit unterliegen sie zwei unterschiedlichen Finanzierungsmechanismen mit dazugehörigen Bedarfserhebungs- (bspw. RAI/RUG, IBB) und Abrechnungsprozessen.

Worauf müssen Trägerschaften achten, wenn ihre Institution gemischt finanziert wird?
Es ist wichtig, dass sie die kantonalen Gegebenheiten kennen, denn diese können je nach Kanton unterschiedlich sein. In der Fachwelt und bei einigen Akteuren der Politik ist das Thema bereits erkannt und es werden Lösungen beispielsweise mittels einer integrierten Versorgungsplanung zwischen den Bereichen Alter, Behinderung und Gesundheit angestrebt. Eine solche Planung und Umsetzung, die zunehmend verschiedene Bereiche der Betreuung und Pflege von Menschen berücksichtigt, ist aber noch breiter erforderlich. Bei einigen Verantwortlichen in den Kantonen und Gemeinden ist dieser Bedarf erkannt, aber die Umsetzung braucht auch Zeit.

Oft sind Gesundheits- und Sozialinstitutionen verwaltungstechnisch verschiedenen Departementen oder Ämtern unterstellt. Welche Folgen ergeben sich denn für die jeweils zuständigen Verwaltungsbereiche?
Verschiedene Zuständigkeiten bedeuten gemäss unserer Erfahrung auch eine Erhöhung des administrativen Aufwands. Es müssen in verschiedenen Bereichen – beispielsweise kantonale Voraussetzungen im Bereich Behinderung und im Bereich Alter– die Voraussetzungen in Bezug auf Bewilligung, Qualität und Finanzierung erfüllt werden, was zu einem Mehraufwand führen kann. Zudem müssen in einer solchen Organisation beide Voraussetzungen in Bezug auf das in der Institution tätige Personal erfüllt werden. Da werden Themen der interdisziplinären und interprofessionellen Zusammenarbeit elementar.

Was heisst dies denn konkret für eine Überführung einer Gesundheits- in eine Sozialinstitution und umgekehrt?
Finanzierung von sozialen Leistungen ist immer an eine Art von Bewilligung geknüpft, die mit zu erreichenden Voraussetzungen verbunden ist. Je nach dem aus welchem Bereich eine Organisation herkommt hat sie eine bestimmte Kultur, Haltung und Praxis. Um die unterschiedlichen Bewilligungen und die damit einhergehende Finanzierungsmöglichkeit zu erhalten, braucht es dazu einen umfassenden Veränderungsprozess auf verschiedenen Ebenen. Verschiedene Aspekte wie die passende Trägerschaft und Gesamtorganisation, die Führungs- und Ablaufprozesse, die Qualität und Umsetzung der Leistungen und Angebote, das Qualitätsmanagement, die Personalentwicklung, die Abwicklung der Finanzierung können davon betroffen sein. Sie sehen, ein solcher Changeprozess ist kompliziert und muss sorgfältig und unter aktivem Einbezug der Leitungspersonen, Mitarbeitenden und der Klient*innen vorgenommen werden, damit die Veränderungen gemeinsam umgesetzt, in der Kultur verankert werden und nachhaltig bestehenbleiben. Oftmals gelten seitens der zuständigen Behörden Vorgaben, für die Betriebsbewilligung resp. Anerkennung einer Organisation, damit sie die entsprechende, ihnen zustehende Finanzierung auch erhalten. Die grösste Herausforderung besteht nicht in der Aufbereitung der entsprechenden Konzepte, sondern in der Umsetzung – die Konzepte müssen auch im Alltag gelebt werden!

Inwiefern kann sich ein solcher Finanzierungsmix auch auf in der Institution lebende oder arbeitende Menschen eine Auswirkung haben?
Für die betreuten und gepflegten Klient*innen sollte die positive Auswirkung darin bestehen, dass ihnen ein durchlässiges und bedarfsgerechtes Angebotsnetz zur Verfügung steht, welches flexibel auf ihre vorhandenen und sich verändernden Bedürfnisse reagieren kann. Durch einen optimalen Mix von interdisziplinären und interprofessionellen Fachpersonen, welche untereinander im Austausch sind, kann das breite Knowhow bestmöglich für den Erhalt und die Förderung der Lebensqualität, der Gesundheit, der Selbstbestimmung und der gesellschaftlichen Teilhabe eingesetzt werden.

Herzlichen Dank, Simon und Ursula, für dieses lehrreiche Interview!