Interprofessionelle Zusammenarbeit

Interprofessionalität ist ein Schlüsselfaktor, um mit zunehmend dynamischen und komplexen Situationen angemessen umgehen zu können. Dies gilt insbesondere für die Arbeit mit Nutzer:innen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales. Dabei geht es nicht nur darum die unterschiedlichen Kompetenzen zusammenzubringen, sondern vielmehr darum, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und damit optimale und wirksame Lösungen für und mit Nutzer:innen auszuarbeiten.

Interprofessionelle Zusammenarbeit ist dann gegeben, wenn mehrere Fachpersonen mit verschiedenen beruflichen Hintergründen und somit aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammenarbeiten. Dies ist beispielsweise in einer Schule der Fall, wenn sowohl Lehrpersonen als auch Logopäd:innen und Sozialpädagog:innen zusammenarbeiten.

Interdisziplinär oder interprofessionell?

In unserer Arbeit stellen wir immer wieder fest, dass die korrekte Verwendung der Begriffe Interdisziplinär und Interprofessionalität im Bereich des „inter“ nicht immer ganz klar scheint. Daher wagen wir hier zunächst eine Begriffsklärung:

  • Interdisziplinarität: Zusammenarbeit von verschiedenen Personen mit demselben Beruf, aber aus unterschiedlichen Fachrichtungen bzw. Disziplinen beschreibt (z.B. ärztliches Personal aus verschiedenen Fachrichtungen).
  • Interprofessionalität: Zusammenarbeit von Angehörigen verschiedener Berufsgruppen (z.B. Lehrpersonen, Logopäd:innen, Sozialpädagog:innen, Pflegepersonal oder ärztliches Personal)

Ziel der interprofessionellen Zusammenarbeit

Das Ziel interprofessioneller Zusammenarbeit ist eine wirksame, personenzentrierte, effiziente und qualitativ hochstehende Betreuung und Begleitung zu gewährleisten. Sie beinhaltet zwei komplementäre Elemente: die interprofessionelle Bildung und die interprofessionelle Zusammenarbeit (Berufspraxis).

Die verschiedenen Professionen, die im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen tätig sind, sind unterschiedlich disziplinär, d.h. wissenschaftlich fundiert. Sie alle basieren auf einer systematischen Ausbildung. Die Tätigkeit unterliegt bei vielen ethischen Richtlinien sowie gesetzlichen Verpflichtungen, teilweise mit hoher Autonomie in der Berufsausübung.

Die interprofessionelle Bildung legt den Grundstein für die spätere interprofessionelle Zusammenarbeit in der Berufspraxis. Der Hauptfokus bildet dabei die Vermittlung von Lerninhalten, die auf die Befähigung der interprofessionellen Zusammenarbeit ausgerichtet sind und dass Personen verschiedener Berufsgruppen miteinander unterrichtet werden.

Eine Profession allein reicht nicht mehr

Verschiedene gesellschaftliche, fachliche, technische, ökonomische und politische Entwicklungen stellen die Begleitung von Menschen zunehmend vor Herausforderungen wie z.B.:

  • Komplexität und Vielschichtigkeit der Lebens- und Problemsituationen
  • Demografische Alterung, chronische Krankheiten und Multimorbidität
  • Fachkräftemangel, Spar- und Effizienzdruck
  • Anspruch der Leistungsnutzenden

Keine Profession resp. Berufsgruppe besitzt für sich allein die gesamte Fachkompetenz, die erforderlich ist, um die komplexe Bandbreite der Bedürfnisse zahlreicher Nutzer:innen von Bildungs-, Gesundheits- und Sozialleistungen zufriedenstellend und wirksam zu erfüllen. Hier bietet die interprofessionelle Zusammenarbeit Hand, um den genannten Herausforderungen begegnen zu können und ist somit in vielen Settings der Bildung, der Gesundheit und dem Sozialen unabdingbar und wirkungsvoll.

Eine interprofessionelle Haltung ist mehr als die Bündelung der Kompetenzen

In der Berufspraxis gilt es, ein gemeinsames Verständnis von Interprofessionalität zu entwickeln. Denn es handelt sich dabei um mehr als die „Bündelung von Kompetenzen“. Zu einer interprofessionellen Haltung gehört, dass verschiedene Professionen gemeinsam mit ihren jeweiligen Methoden denselben Gegenstand bearbeiten. Dadurch entstehen Ergebnisse und Erkenntnisse, die keine Berufsgruppe alleine entwickelt hätte. Hierbei ist wichtig, dass sich die Mitglieder interprofessioneller Teams auf Augenhöhe begegnen und die Fachkompetenzen der jeweils anderen Berufsgruppen kennen und anerkennen. Sie engagieren sich stets in der gemeinsamen Entscheidungsfindung zu Gunsten der Begleitung der Nutzer:innen. Ein Grundprinzip lautet zudem, dass die jeweils bestqualifizierte Person für die aktuelle Fragestellung, die Führung übernimmt sowie Nutzer:innen aktiv einbezogen werden.

 

Quellen

  • BAG – Bundesamt für Gesundheit (2017). Förderprogramm Interprofessionalität im Gesundheitswesen 2017 – 2020. Bern: Bundesamt für Gesundheit.
  • Canadian Interprofessional Health Collaborative, CIHC27; https://www.mcgill.ca/ipeoffice/ipe-curriculum/cihc-framework
  • CURAVIVA (2020). Charta 2.0 «Interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen».
  • Gerber, Michèle und Rüefli, Christian (2021). Definition des Begriffs «Interprofessionalität» im Gesundheitswesen im Schweizer Kontext. Bern: Bundesamt für Gesundheit.
  • Gurtner, Sebastian und Wettstein, Miriam (2019). Interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen – Anreize und Hindernisse in der Berufsausübung: Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG, Förderprogramm «Interprofessionalität im Gesundheitswesen» 2017−2020. Bern: Berner Fachhochschule, Departement Wirtschaft.
  • WHO – World Health Organization und Health Professions Networks – Nursing & Mid-wifery – Human Resources for Health (2010). Framework for action on interprofessional education & collaborative practice.