Generationenvielfalt als Chance

In wenigen Jahren wird die Generation Alpha die Arbeitswelt betreten und ihre eigenen Werte, Bedürfnisse und Ansprüche mitbringen. Gleichzeitig schreitet der demografische Wandel voran, wodurch Menschen länger im Arbeitsleben bleiben. Diese Entwicklung führt dazu, dass in Organisationen unterschiedliche Generationen aufeinandertreffen, die jeweils ihre eigenen Prägungen, Erfahrungen und unterschiedliches Know-how besitzen. Diese Vielfalt kann für Organisationen, Führungspersonen und Mitarbeitende herausfordernd sein, birgt aber auch grosse Chancen. Unsere Podiumsdiskussion mit Gästen unterschiedlicher Generationen zeigt, dass generationenübergreifende Teams Innovationen fördern und zur Perspektivenvielfalt und einem integrativen Arbeitsumfeld beitragen. Hier erfahren Sie, welches die Chancen generationenübergreifender Teams sind.

In unserer Beratungstätigkeit stossen wir immer wieder auf die Herausforderung, dass verschiedene Generationen unterschiedliche Vorstellungen von Arbeit haben. Die jüngeren Generationen fordern beispielsweise vermehrt Teilzeitarbeit und legen grossen Wert auf eine Work-Life-Balance. Auf der anderen Seite sind ältere Generationen skeptisch und fragen sich, wer bei reduzierten Arbeitszeiten noch Verantwortung übernehmen kann. Diese vermeintliche Diskrepanz (Siehe Grafik) hat uns dazu inspiriert, im Rahmen unseres Green Bag Lunch vom 22.03.2023 das Potenzial der Generationenvielfalt genauer zu betrachten. Bei dieser Veranstaltung hatten wir das Vergnügen, drei Gäste aus unterschiedlichen Generationen zu begrüßen:

Werner Tobler (Baby Boomer): Selbständiger Unternehmer und engagiert bei der Terzstiftung, einer Interessensvertretung für selbstbestimmtes und aktives Leben im Alter. Herr Tobler bringt jahrelange Erfahrung aus verschiedenen Führungspositionen und Organisationen mit und widmet sich heute dem Coaching für ein selbständiges Leben zu Hause.

Sandra Jauslin (Generation X): Eine erfahrene Führungsperson und Unternehmerin, die sich rund um die Sichtbarkeit von Unternehmen und Individuen einsetzt. Mit ihrer Expertise in Organisationsentwicklungen ermöglicht sie in Unternehmen und Teams die Entfaltung der Potentiale und nutzt die vorhandenen Synergien. Als Wirtschaftspsychologin und Buchautorin über Reverse Mentoring verbreitet sie die einfache Methodik, Generationen miteinander zu verbinden, lernende Organisationen zu beschleunigen und die Resilienz zu stärken.

Elias Rüegsegger (Generation Y): Herr Rüegsegger ist der Gründer des Vereins UND Generationentandem. Ein Verein, der sich für ein Miteinander der Generationen einsetzt. Ursprünglich hat er Theologie studiert, arbeitet nun aber als Geschäftsleiter des Generationentandems und in der Mühle Schönbühl.

Vorgängig zur Veranstaltung haben wir auf LinkedIn dazu aufgerufen, an unserer Umfrage zum Thema «Werthaltungen der Generationen» teilzunehmen. 86 Personen verschiedenster Generationen haben an der Umfrage teilgenommen. Aufgefallen ist, dass der Wert «Sinnhaftigkeit der Tätigkeit» über fast alle Generationen hinweg als wichtigster Wert ausgewählt wurde. Hier geht’s zu den Details der Umfrage.

Reverse Mentoring als Ansatz um Generationenvielfalt als Ressource zu nutzen

In vielen Organisationen gibt es Vorbehalte gegenüber jungen und älteren Mitarbeiter:innen. Die Jungen sollen sich erst beweisen, während die Älteren als nicht mehr voll einsetzbar angesehen werden. Dabei liegt in beiden Altersgruppen ein enormes Potenzial, das durch den Ansatz des Reverse Mentoring zusammengebracht werden kann. Bei dieser Methode werden Tandems gebildet zwischen jüngeren Mitarbeitenden, die über spezifisches Wissen verfügen, und erfahrenen Personen, die oft keine Zeit für Weiterbildungen haben.

Die Ergebnisse aus Pilotprojekten von Sandra Jauslin zeigen, dass Reverse Mentoring eine Vielzahl positiver Auswirkungen auf verschiedene Aspekte der Arbeitswelt hat. Es steigert die Arbeitsmotivation, indem jüngeren Mitarbeiter:innen eine Plattform geboten wird, ihr Wissen zu teilen und gleichzeitig die Erfahrungen der erfahreneren Kolleg:innen genutzt werden. Durch den Dialog und den Austausch zwischen den Generationen wird implizites Wissen explizit gemacht, was das Wissensmanagement verbessert. Zudem fördert Reverse Mentoring Innovationen, da verschiedene Perspektiven und Erfahrungen zusammengebracht werden. Es stärkt auch die persönliche Resilienz der Tandem-Partner:innen. Darüber hinaus führt Reverse Mentoring zu einem Wertewandel, indem Dialoge auf Augenhöhe ermöglicht und ein besseres Verständnis zwischen den Generationen geschaffen werden. Zusammenfassend bietet Reverse Mentoring die Möglichkeit, die Vielfalt und das Wissen der Mitarbeitenden ohne grossen Ressourceneinsatz optimal zu nutzen und die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen.

Perspektiven unserer Gäste auf das Thema Generationenvielfalt

Welcher Generation gehören Sie an und wie würden Sie Ihr Verhältnis zur Arbeit beschreiben? Von welchen Werten ist dieses geprägt?

Werner Tobler: Ich gehöre zur Baby Boomer-Generation und wollte auch mit 65 Jahren nicht aufhören zu arbeiten. Für mich ist Arbeit notwendig, um unabhängig und selbstständig zu sein. Meine Werte umfassen Verbindlichkeit und Respekt gegenüber anderen. Arbeit sollte mir Freude bereiten und einen Beitrag zum Wohlergehen der Gesellschaft leisten. Ich frage mich jedoch, warum wir nicht von einer “Life-Work Balance” oder einfach einer “Life Balance” sprechen, da Freizeit und Leben genauso wichtig sind.

Sandra Jauslin: Ich gehöre zur Generation X und lehne es ab, in eine Schublade gesteckt zu werden. Für mich ist die Persönlichkeit einer Person wichtiger als die Generation, der sie angehört. Sicherheit im Berufsleben und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind wichtige Themen in meiner Generation. Ich engagiere mich viel ehrenamtlich und glaube, dass Arbeit sinnvoll sein sollte, solange sie einen guten Output hat. Die Wahrnehmung von Sinn kann sich jedoch im Laufe der Zeit ändern.

Elias Rüegsegger: (Generation Y) Ich identifiziere mich nicht direkt mit einer bestimmten Generation, sondern glaube, dass das Verhältnis zur Arbeit vom persönlichen Umfeld geprägt ist. Meine Eltern waren beide berufstätig, und ich habe gelernt, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit gleichermassen als Arbeit betrachtet werden sollten. Ich strebe nach einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Leben und finde freiwilliges Engagement sehr wichtig. Arbeit sollte vor allem einen Sinn haben, sowohl für mich selbst, meine Organisation/Arbeitsstelle als auch für die Gesellschaft.

Was sind für Sie prägende Erfahrungen in generationenübergreifenden Teams?

Werner Tobler: In generationenübergreifenden Teams ist es wichtig, offen für andere Meinungen zu sein und den Kontext zu verstehen. Jede Generation steigt auf unterschiedlichen Stufen der Maslow-Pyramide ein, dem bin ich mir bewusst. Es geht darum das Gegenüber zu verstehen und die Kommunikation sollte den Bedürfnissen angepasst werden.  Die Zusammenarbeit hängt von einem selbst und der eigenen Einstellung ab.

Sandra Jauslin: In solchen Teams ist es wichtig, wertfrei gegenüber anderen Meinungen und Mindsets zu sein und voneinander zu lernen. Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle, indem sie einen Rahmen schaffen, der diese Zusammenarbeit fördert. Es erfordert Fingerspitzengefühl, um einzuschätzen, welche Beiträge und Stärken die verschiedenen Generationen haben.

Elias Rüegsegger: In solchen Teams gibt es unterschiedliche Kommunikationsweisen und -erwartungen sowie verschiedene Kommunikationskanäle. Die jüngere Generation ist weniger verbindlich unterwegs, weil sie es sich leisten können, da der Arbeitsmarkt auf die junge Generation angewiesen ist. Die psychische Gesundheit ist eine grosse Herausforderung bei der jungen Generation, da anders mit Stress und Belastung umgegangen wird. Generationenübergreifende Teams sind innovativ aufgrund der vielfältigen Lebenserfahrungen. Freiwilligenarbeit zeigt, dass wahrgenommene Sinnhaftigkeit wichtig ist. Die Generation Z bleibt nur so lange engagiert, wie es für sie sinnvoll ist. Jüngere Generationen haben ein größeres Bedürfnis nach Feedback und Austausch über Arbeit.

Was wir zum Thema Generationenvielfalt mitnehmen möchten

  • Generationsdurchmischte Teams bieten viele Chancen: Der generationenübergreifende Austausch fördert Innovation, regt Outside-the-Box Denken an, macht implizites Wissen explizit, fördert die persönliche und organisationale Resilienz und steigert die Arbeitsmotivation.
  • Es ist wichtig, immer wieder kritisch zu hinterfragen, ob Generationsvielfalt tatsächlich ein Problem darstellt oder ob andere Faktoren dazu führen, dass ein Team nicht optimal funktioniert. Unser Alter und das Umfeld, in dem wir aufgewachsen sind, prägen uns, und haben – unter vielen anderen Faktoren – einen Einfluss darauf, wie wir die Welt wahrnehmen. Dialog und voneinander Lernen gelingen dann, wenn wir unserem Gegenüber und seiner / ihrer individuellen Realität und Wertvorstellungen unvoreingenommen und neugierig begegnen. Diese Haltung ist eine wichtige Voraussetzung für die generationenübergreifende Zusammenarbeit. (Generationen-) diverse Teams und Ansätze wie das Reverse Mentoring tragen aber auch dazu bei, diese Haltung in der Organisations- oder Teamkultur zu verfestigen.
  • Eine entscheidende Rolle kommt den Führungskräften zu: Es bedarf eines offenen Dialogs und eines aktiven Engagements, um sich mit den verschiedenen Generationen auseinanderzusetzen. Führungskräfte sollten den Raum für Diskussionen und den Austausch über Generationen hinweg schaffen und von den Mitarbeitenden einfordern. Indem sie den Dialog fördern, können sie das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen stärken.
  • Insgesamt bietet die Zusammenarbeit in generationenübergreifenden Teams eine wertvolle Gelegenheit, die Stärken jedes und jeder Einzelnen zu nutzen und eine positive Arbeitskultur zu schaffen, die von Offenheit, Respekt und kontinuierlichem Lernen geprägt ist. Wenn wir die Chancen der Generationenvielfalt erkennen und aktiv fördern, können wir eine Arbeitswelt gestalten, die für alle Generationen attraktiv ist.